Der Retter der Töpfe
Er setzt Kirchen neue Kugeln auf, rettet Altes und fertigt Neues aus Kupfer, Messing und Zinn. Egal, aus welcher Richtung man nach Halberstadt hineinfährt: Die Türme von Martinikirche und Dom sind von Weitem zu sehen. Dass die Zierkugeln auf den Dächern dieser Kirchen seit einiger Zeit wieder golden glänzen, ist unter anderem dem Kupferschmiedemeister Friedrich Kretschmer und seinem Sohn, dem SHK-Meister Matthias Kretschmer, zu verdanken. Die Handwerker fertigten und montierten 2010 und 2011 eine große und acht kleine vergoldete Kugeln für den Dachreiter des Doms sowie die Turmkugeln und die Wetterfahne für die Martinikirche. Einen Lohn für die vielen Arbeitsstunden lehnten die Kretschmers ab und machten der Stadt außerdem die Vergoldung der Martini-Kirchturmspitze zum Geschenk. „Es war eine Herzensangelegenheit für uns, unserem Dom 64 Jahre nach der Zerstörung wieder sein ursprüngliches Aussehen wiederzugeben und auch der Martinikirche als Wahrzeichen Halberstadts wieder zu altem Glanz zu verhelfen“, sagt Friedrich Kretschmer.
Die große Kugel der Martinikirche – eineinhalb Meter hoch und 1,35 Meter im Durchmesser – ist so etwas wie eine alte Bekannte von Friedrich Kretschmer. Hatte er sie doch 1958 gemeinsam mit seinem Vater Wilhelm Kretschmer, seit 1940 in Halberstadt Vater und Sohn: Friedrich Kretschmer (68) und Matthias Kretschmer (38) in der Werkstatt. Foto: Anja Gildemeister Kontakt: Kupferschmiede Kretschmer:Humboldtstraße 17a, 38820 Halberstadt, Telefon 03941 441575, Internet www.kupfer-kretschmer.de, www.verzinner.de als Kupferschmied ansässig, angefertigt. „Der Fachmann sieht gleich, dass sie von einem Kupferschmied gemacht wurde, denn die Kugeln von Klempnern ähneln einem Ei, bei meiner Zunft sind sie kugelrund“, erläutert Friedrich Kretschmer. Nicht nur eine Verjüngungskur verpasste er der Turmkugel, sondern auch eine besondere Raffinesse: einen innenliegenden Blitzableiter. „Der stört weder die Ästhetik, noch lockt er Vögel an“, sagt Friedrich Kretschmer, der sehr stolz ist auf seine Arbeit und es sich nicht nehmen ließ, mit 66 bzw. 67 Jahren auf die Kirchendächer und -türme zu steigen und gemeinsam mit Sohn Matthias den Kugeln ihren Platz zu geben.
Der Platz von Friedrich Kretschmer ist in seiner Werkstatt in Halberstadts Humboldtstraße. Zwischen Werkbänken, Ambossen, Hämmern und Zangen fallen dort zuerst die Kupfertöpfe und -pfannen ins Auge, die Kretschmer in Maßanfertigung herstellt. „Profiköche und Hobbygourmets bevorzugen Kupferkochgeschirr“, weiß der Handwerksmeister. Schon zu DDR-Zeiten hat er ganze Hotelküchen damit ausgestattet. Heutzutage wenden sich viele Kunden mit altem Kupfergeschirr an ihn. Verbeult, verbrannt, verbogen und deshalb unbrauchbar – dank Friedrich Kretschmer ist der nächste große Auftritt in der Küche nur eine Fragen von Zeit und Geld. Er beult die Dellen aus, bürstet den Dreck weg, poliert von außen und verzinnt von innen – Kupfer würde beim Kochen Gifte freisetzen. Das Zinn aus seinem Depot wurde übrigens bei Dippoldiswalde in Sachsen abgebaut. „Zu 99,9 Prozent rein; das Beste, was es gibt“, sagt der Meister und verweist bei der Gelegenheit auf die Zinnfiguren, die Sohn Matthias in Handarbeit und großer Vielfalt herstellt.
Auch fabrikneues Kupfergeschirr kommt bei Friedrich Kretschmer an, zum Beispiel Kupfer-Bräter aus französischer Produktion, die sich in deutschen Küchenläden mangels Deckel schlecht verkaufen. Seitdem Friedrich Kretschmer dafür Deckel maßanfertigt, hat sich das geändert. Auch wenn der Kupferschmied nicht den Eindruck erweckt, jemals mit dem Arbeiten aufhören zu wollen, sollten sich die Bräter-Hersteller etwas überlegen. Denn Friedrich Kretschmer ist einer der Allerletzten seiner Zunft. (ag)
Kontakt:
Friedrich Kretschmer
Humboldtstr. 17a
38820 Halberstadt
www.kupfer-kretschmer.de