Trendige Trauringe aus Tantal
Francisco Marchant ist technikbegeistert. Fast zwei Jahre forschte er an einer Herstellungsmethode. Jetzt kann er angesagte Schmuckstücke aus einem besonderen Metall kreieren. "Handwerk in Sachsen-Anhalt" war bei der Fertigung dabei.
Francisco Marchant sitzt an seinem Arbeitsplatz und blickt durch ein Mikroskop. Seine schwarze Basecap berührt das Okkular. Der Chilene wirkt ziemlich lässig. Doch er arbeitet hochkonzentriert: Der 37-Jährige begutachtet durch das Mikroskop einen Ring, in den er gleich einen rund 0,9 Millimeter großen Diamanten einsetzen will.
Das Besondere ist aber nicht der Stein, sondern der Ring. Denn es ist ein Ehering aus Tantal – ein graphitgraues Metall, das bei der Schmuckherstellung äußerst selten verwendet wird. „Wir produzieren hier in Magdeburg weltweit die erste Kollektion aus Tantal“, sagt Marchant stolz. Tantal ist besonders hart. Zudem liegt der Schmelzpunkt des Metalls bei mehr als 3000 Grad und ist deshalb besonders schwer zu verarbeiten. Daher steckt in der Kollektion neben Handarbeit vor allem ausgefeilte Technologie.
Forschung in der Freizeit
Mehr als zwei Jahre hat der überzeugte Wahlmagdeburger in seiner Freizeit mit einem befreundeten Chemiker an einer Herstellungsmethode geforscht. Zusammen haben sie so ein Verfahren entwickelt, um aus Tantal Trauringe per Hand fertigen zu können. Wie das genau funktioniert, ist ein gut gehütetes Betriebsgeheimnis.
Noch immer blickt Marchant, der 2002 der Liebe wegen nach Deutschland kam, durch das Mikroskop. Er hat einen schlichten Ring mit einer Einlage aus Gelbgold im Fokus. Er nimmt einen Bohrer in die Hand und bohrt damit ein kleines Loch in den schmalen Streifen aus Gold. Mit bloßem Auge ist das kaum zu erkennen. Genau dort wird der Handwerksunternehmer, der seit zwölf Jahren selbstständig ist, gleich den Stein setzen. Seine Kunden haben sich das so gewünscht. „Mit dem, was wir tagtäglich tragen, sagt jeder etwas über sich selbst aus“, sagt er, als er den Ring betrachtet. Denn Schmuck gehört für den Rock’n Roll-Liebhaber selbstverständlich zum Äußeren dazu. „Wir wollen hier Schmuck kreieren, der die Leute anspricht und mit denen sie sich identifizieren können“, beschreibt er seine Motivation.
Bei den Eheringen können die Kunden der Manufaktur zwischen rund 20 verschiedenen Varianten wählen. Die Ringe unterscheiden sich beispielsweise in Farbe, Oberflächengestaltung, Größe, Breite und Höhe. Manche Modelle sind schlicht und haben lediglich eine gehämmerte oder eismattierte Oberfläche. Es geht aber auch deutlich extravaganter: Eheringe mit Einlagen aus Platin, eingespannten Edelsteinen oder dem Fingerabdruck des Ehepartners auf der Oberfläche. Jedes Stück ein Unikat. Daran arbeiten Marchant und seine acht Mitarbeiter.
Als Nächstes greift der flippige Geschäftsmann, der aus einer Bauunternehmerfamilie stammt, zu einem kleinen Blasebalg. Damit pustet er den Staub weg, der beim Bohren entstanden ist. Schließlich muss der Ring sauber sein, bevor er gleich den Diamanten einsetzt. „Der Stein muss gerade sitzen, weil er später nicht wieder rausgeht“, erläutert Marchant, der über einen chilenischen Studienabschluss verfügt. Die ganze Zeit über betrachtet er den Ring durch das Mikroskop. Währenddessen sind von nebenan laute Geräusche zu hören. Denn dort schleift einer seiner Mitarbeiter die fast fertigen Eheringe noch auf die richtige Breite.
Von Sachsen-Anhalt in die Welt
Alle Ringe produziert Marchant zusammen mit seinen Mitarbeitern in Magdeburg, verkauft werden sie deutschlandweit. „2016 waren es mehr als 400 Paar“, so der Unternehmer. Und die Tendenz sei steigend. Zu den Kunden der Manufaktur gehören generell viele Stars, darunter Udo Lindenberg, die US-amerikanische Rockband Rival Sons oder der Rapper RZA vom Wu-Tang Clan. Auch das keine Selbstverständlichkeit: Denn Stefan Kretschmar öffnete ihm die Tür in diese Welt. Schließlich war der exzentrische Ex-Handballer sein erster Promikunde, der die Marke über Sachsen-Anhalt hinaus bekannt machte. Doch mit den Eheringen spricht Marchant eine ganz andere Zielgruppe an. „Bei uns kaufen Leute, die nicht unbedingt einen goldenen Ehering haben wollen“, sagt der Promiausstatter. Schließlich gelte Gold heute als altbacken.
Marchant betrachtet den Ring, bei dem er den Stein gesetzt hat. Fertig ist er noch nicht. Zunächst muss er den Diamanten noch ins Metall reinreiben. Das macht er mit ein paar flinken Handgriffen. Anschließend beäugt er das Ergebnis durch das Mikroskop. Nun muss der Südamerikaner den Ehering nur noch schleifen und polieren, damit er wieder glatt ist. Zum Schluss steckt er den fertigen Ring zurück in die Tüte mit dem Auftragszettel. Das nächste Projekt wartet schon auf den umtriebigen Unternehmer. Gleich hat er einen Termin mit zwei Lokaljournalisten. Sie wollen die Manufaktur besuchen, um etwas über die Anwendung von 3D-Druck bei der Schmuckherstellung zu erfahren. Für Marchant ist das jedoch fast ein alter Hut. Er zuckt mit den Schultern und sagt: „Die Technik wende ich in meinem Betrieb schon seit fast fünf Jahren an.“ (aml)